Irre! von Manfred Lütz

Dieses Buch ist ein Überblick über alle seelischen Erkrankungen, verständlich und mit Humor geschrieben. Lütz ist Theologe, Psychiater und Therapeut. Eingeleitet wird das Ganze mit dem ganz normalen Wahnsinn, dem Krieg, und den wahnsinnig Normalen, zum Beispiel den Diktatoren. Ein Verrückter kann nicht die Herrschaft über sein Volk erringen, da ihm dazu das Durchhaltevermögen abgeht, ihm die kriminelle Energie fehlt und er im Endeffekt ein liebenswürdiger Mensch ist. Skrupellosigkeit und Menschenverachtung ist das Geschäft der Vorstandsvorsitzenden, Bankenzocker und aller anderen, die unseren Planeten vor die Wand fahren. Diese Normopathen gehören therapiert, die Verrückten, die Farbe in den grauen Alltag bringen, weniger. Weiter führt der Autor den normalen Blödsinn auf, was uns die sogenannte Fernsehcomedy beschert hat und die blödsinnig Normalen, die nichts geleistet haben wie bespielsweise Paris Hilton. Immer wieder streut Lütz Beispiele aus seiner Tätigkeit als Chefarzt einer Psychiatrie in Köln ein. Dieses Buch ist dünner und übersichtlicher als zum Beispiel das Standardwerk ‚Irren ist menschlich‘. Also, wer einen Einstieg in das weite Feld der seelischen Erkrankungen haben will: das Werk hat 190 Seiten und kostet 17,90 Euro. Es ist in jeder Buchhandlung vorrätig, da es Platz eins einnahm unter den bestverkauften Sachbüchern auf der Liste eines großen politischen Wochenmagazins. Mittlerweile gibt es dieses auch als Taschenbuch für 10 Euro.

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Die neue ‚Sonntag Aktuell‘ vom 17.01.10

Nun ist es also vollbracht: die überflüssigen Redakteure sind weg und die konservativen Stuttgarter Nachrichten machen das Blatt mit. Dazu gibt es auch eine Verschlechterung in der Gestaltung: ein völlig neues Bild. Die Hauptschlagzeile stellt fest, daß in Haiti auch ein Deutscher ums Leben kam. Ist der mehr wert als Zigtausende zerquetschte Einheimische? Und dann die Hofberichterstattung: ‚Stefan ist ein sehr verbindlicher und liebevoller Mensch.‘ stellt die Frau des neuen Ministerpräsidenten im Südwesten fest. Ihr ist drei Fünftel der zweiten Seite gewidmet (sitzt die auch mit im Kabinett..?) Es geht weiter auf Seite drei mit einem Vorhallenmensch, der die Interessen der Industrie und des Handels vertritt. Der promovierte Psychologe hat eine Haferflockenindustrielle geheiratet und zwanzig Jahre danach die Leitung ihrer Firma übernommen. Schön für jeden, der in den Geldadel eindringen kann… Dann auf Seite fünf ein Foto des noch amtierenden Landesfürsten mit momentaner Freundin und einem Rettungshund: er hat ein Herz für diese Tiere steht unter dem Foto und der dazugehörige Artikel reduziert das Thema Haiti auf die Tatsache, daß die Hundestaffeln im Ländle nicht dorthin dürfen. Über den Rest in dieser Ausgabe lohnt sich nicht zu berichten, da mußt du dir selbst ein Bild machen. Für mich ist dies ein Zeitgewinn für den Sonntag, da ich getrost das Blatt ungelesen in das Altpapier entsorgen kann und so Raum für Sinnvolleres als die Lektüre der ‚Sonntag Aktuell‘ habe.

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Das WERK

Der Bildhauer und Kunsterzieher Wolfram Isele hatte im Stuttgarter Osten ein bundesweit einmaliges Projekt konzipiert und geleitet: das WERK. Von 1982 bis 2000 stand es für KunstWERK, GeWERKschaft, WERKstatt. Hier wurden partizipatorische Kunstprojekte, gewerkschaftlicher Alltag und Stadtteilarbeit realisiert. Nun erschien im Peter-Grohmann-Verlag ein gut lesbares, mit vielen Fotos ausgestattetes Buch zu dieser Geschichte. Bekannteste Ergebnisse aus dieser Arbeit waren der Kinderzirkus Karamba Basta!, der als Verein heute noch existiert und die Stuttgarter Osten Lokalzeitung (1988 bis 1999). Weitere Projekte waren der Einsatz für den Friedensbrunnen, der leider wegen des Widerstands der Bezirks-CDU nie realisiert werden konnte, die Gruppe Alltag und Arbeitswelt, das Erwerbslosenfrühstück, der deutsch-türkische Kulturaustausch, multikulturelle Wände, die KinderZeitung, eine Trickfilmwerkstatt und vieles mehr. All dies ist nun auf 240 Seiten versammelt und von Ronald Kolb gestaltet. Den Mischnitt (2 Stunden) des AnStifterFunken vom 10.11.09, bei dem Wolfram von Burkhard anläßlich dieses Buches befragt wurde, kannst du gerne bei mir anfordern. (ISBN: 978-3-927340-88-6, 20 Euro)

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Bright Star

Der aktuelle Kinofilm der neuseeländischen Regisseurin Jane Campion (‚Ein Engel an meiner Tafel‘ und ‚das Piano‘) stellt die Liebe zwischen dem Dichter John Heats und der Schneiderin Fanny Brawnes ins Licht. Das Ganze hat sich Anfang des 19. Jahrhunderts in London abgespielt. Ein schöner Autorenfilm (ebenfalls das Drehbuch von Campion) angelehnt an die Biographie von Heats, der zu den wichtigsten Vertretern der Romantik zählt, aber leider völlig mittellos mit 25 Jahren in Rom an Schwindsucht starb und an seinem Talent zweifelte. Das ist auch heute noch so, daß man sich von der Dichterei nicht ernähren kann. Welche Buchhandlung bietet schon Bücher dieser Randgruppe zum Verkauf an? Die Modeerscheinung der Schlammpoeten wird vorübergehen, die großen Vertreter ihres Fachs werden bleiben. Das Gute an diesem Film sind die Kostüme und die unverbrauchten Gesichter der Darstellerinnen. Allerdings gibt es nicht viel zu lachen während der zwei Stunden.

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Antichrist

Erst an einer schweren Depression erkrankt hatte nun der dänische Dogma-Regisseur Lars von Trier seinen neuesten Film in den Kinos. Alles dreht sich hier um ein Paar, gespielt von Willem Dafoe (seinerzeit unter anderem auch Jesus-Darsteller unter Martin Scorsese) und Charlotte Gainsburgh, der Tochter von Jane Birkin und Serge Gainsburgh, die wohl bei der Aufnahme des Klassikers ‚Je t’aime‘ entstand. Der ganze Film ist dem Gedenken an den russischen Filmregisseur Andrej Tarkowski gewidmet. Los geht es mit in Schwarzweiß gehaltenen Zeitlupeaufnahme, unterlegt mit Barockmusik. Während das Paar den Beischlaf praktiziert, stürzt der kleine Sohn bei Schneetreiben aus dem Fenster und stirbt. Dann wieder in Brauntöne gehaltene normale Sequenzen mit der Trauer. Das Paar landet in einem Haus im Wald. Dann wird es ziemlich ätzend und die Frau geht plötzlich auf ihren Mann los, hängt ihm einen Mühlstein im Fleisch seines Beines an und beide quälen sich. Dann bringt er sie, befreit von seiner Last, um und zum Schluß wimmelt es vor lauter Kindern im Wald, wieder in Schwarzweiß. Abgesehen von der Gewalt sind von Trier mal wieder ästhetisch gekonnte Bilder gelungen, ganz weg von der Moral bei ‚Dogville‘ und ‚Manderlay‘.

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