Malstrom

Ein Jazztrio aus Deutschland, das es in sich hat, in der Dieselstraße Esslingen gestern Abend zu hören. Malstrom, das ist der Altsaxophonist Salim Javaid, der Elektrobassist Axel Zajac und Jo Beyer am Schlagzeug. Mit dabei noch als spezieller Gast Jazzprofessor Florian Weber am Klavier, er hat zahlreiche Projekte auf dem Buckel, zum Beispiel die Gruppe Minsarah, die unter anderem mit Lee Konitz unterwegs war, oder ein Projekt mit Samy Deluxe, dem besten Freistilsprecher in der Republik.

Das Konzert der Vier war frisch, packend, unterhaltsam, nie langweilig. Dieses Quartett ist noch blutjung, beherrscht aber seine Instrumente im Schlaf. Programmacher Manfred Müller hat einmal wieder ein gutes Näschen gehabt, Schade, daß das Haus nicht von Gästen aus allen Nähten platzte. Malstrom hat als Trio erst zwei Scheiben selbst veröffentlicht. Mit Florian haben sie schon aufgenommen und suchen noch nach einem Verlag, der dieses Gesamtkunstwerk pressen läßt.

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Wallers letzter Gang

Dieser dreißig Jahre alte Film ist das Erstlingswerk des Allgäuer Regisseurs Christian Wagner, er wurde jetzt digitalisiert und wird in ausgewählten Lichtspielhäusern neu gezeigt. Er ist nun ebenfalls als Filmscheibe zu kaufen. Und auch mit Preisen überhäuft.

Der obdachlose Goethe Herbert Knaupp spielt hier den Waller, einen Bahnmenschen, der immer die Gleise abläuft um defekte Schwellen zu reparieren, der Film erstreckt sich über drei Generationen, an denen die Umwandlungen des Alltags der Menschen in Schwarzweiß-Bildern und ruhiger und beschaulicher Art erzählt und ausgemalt werden. Und das alles im Allgäu. Musik (Klavier und Klarinette) und Geräusche werden sparsam eingesetzt. Es ist entspannend sich in den Alltag der kleinen Leute dieser Gegend zu versenken.

Den letzten Gang vor seinem Ruhestand begeht Waller dann in Farbe, dargestellt vom wortkargen und grauhaarigen Rolf Illig. Als er in das abmontierte Gleisbett marschiert, verschwindet er allmählich aus dem Bild.

Nach der Vorführung stellte sich der Regisseur den Fragen der Besucherinnen im Theaterhaus, die den restaurierten Film zuerst zu sehen bekamen. Motive eines Romans wurden verwendet, ein echter Streckengeher ausgefragt und Wagner hat die komplette Geschichte frei erfunden. Kurze Zeit nach dem Dreh wurde die Strecke Isny-Kempten von der Bahn tatsächlich eingestellt.

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Posaunentasten

Das jüngste Konzert in der legendären Jazzreihe in der Dieselstraße in Esslingen wurde von einem Duo bestritten. Zwei Meister ihres Fachs, in ihrer Einfachheit Giganten. Zum Einen Nils Wogram an der Posaune, der Braunschweiger lebt in Zürich. Zum Anderen Bojan Zulfikarpasic, am Klavier und Fender Rhodes, der aus Belgrad stammt und in Paris wohnt. Es ist faszinierend wie hier der führende Deutschjazzer mit dem Balkanesen zusammenspielt, leise und ohne Effekte. Nils und Bojan sind mit Preisen überhäuft.

Die zwei hatten sich in einer alten Mühle in Polen getroffen, um für eine Woche zu proben, komponieren und aufzunehmen. Und zusammen Kochen. Herausgekommen ist die magische Scheibe namens Housewarming. Das erste gemeinsame Album der beiden wurde von Wogram verlegt. Auf der letzten Messe Jazzahead in Bremen wurde das Projekt öffentlich gemacht und Manfred Müller, der das Jazzprogramm in der Dieselstraße seit langen Jahren gestaltet, hatte zugegriffen.

Nils wird wohl immer mehr der Nachfolger des berühmtesten deutschen Jazzmusikers Albert Mangelsdorff (ebenfalls Posaunist) und Bojan kommt mit seiner Brillianz gleich nach Joachim Kühn in Europa. Nils hat schon oft im Theaterhaus musiziert, zum ersten Mal in der neuen Dieselstraße. Bojan war erst einmal hier, wie er betonte vor 23 Jahren (mit dem wunderbaren Azur Quartet vom Pariser Bassisten Henri Texier). Der Klavierderwisch wurde übrigens gestern 49 Jahre alt, er nennt sich schon seit Jahren der Einfachheit halber Bojan Z.

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Herbert Joos

Hochpolitisch ging es am vergangenen Freitag vor 600 Freundinnen der Kunst von Herbert Joos im Theaterhaus her. Die Landesregierung von Baden-Württemberg (bekanntlich wieder einmal die CDU mit den stärkeren Grünen) verlieh zum dritten und letzten Mal den Landesjazzpreis für das Lebenswerk, diesmal für den Trompeter und Maler Herbert Joos, der gegenüber vom Ebony (afrikanische Speisen) wohnt und aus Karlsruhe stammt. Letztes Jahr erwischte es Wolfgang Dauner, den Klavierspieler und davor den Bassisten Eberhard Weber.

Ins Leben gerufen hat diesen Ehrenpreis der von der neuen Regierung entmachtete Kulturstaatssekretär Jürgen Walter, dem neben Andrea Fischer, der ehemaligen Bundesgesundheitsministerin, einzigsten Grünen mit Jazzkenntnissen. Legendär waren die Konzerte in der Scala in Ludwigsburg, die Jürgen in den 90ern organisierte, bevor er als Berater in den Landtag ging um dann selber dort Abgeordneter zu werden.

Seine Nachfolgerin Petra Olschowski, zuletzt Rektorin der Kunstakademie Stuttgart, las bei der Preisverleihung vom Blatt ab. Die Festrede hielt Vincent Klink, der schwäbische Sternekoch aus dem Fernsehen. Im Gengensatz zu seiner Vorrednerin erwähnte er die Vereidigung des Milliardärs in Washington, die an diesem Freitag über die Bühne ging. Vincent erzählte von seinem vergeblichen Versuch, an der Musikhochschule Stuttgart Trompete zu studieren. Er fiel beim Vorspielen durch, wußte er doch nicht, wie er ein G spielen sollte. So wurde es nichts, seinem Freund Joos gleichzuziehen. Diese Rede war launig und witzig, sehr erfrischend und kurz.

Im ersten Teil des Konzerts spielte das Trio Patrick Bebelaar (p), Günter Lenz (b) und Herbert Joos (tp). Es gab wenig Zusammenspiel und einige solistische Beiträge. Nach fünf Titeln ging es in die Pause. Im zweiten Teil spielte eine Großformation eine Komposition von Herbert, extra für diesen Abend geschrieben. Es gab ausgiebige Zweierimprovisationen zweier Tubisten, zweier Bassisten und zweier Schlagzeuger. Wolfgang Puschnig, wichtigster lebender österreichischer Musiker, durfte nur ein kurzes Einzel spielen auf der Querflöte.

Nach der Logik müßte nächstes Jahr Professor Bernd Konrad geehrt werden, aber wie geschrieben war es das dann wohl. Dafür wird die rassistische CDU schon sorgen.

 

 

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Die Schwaben

Was ist eine Schwäbin? Um dies klarzustellen, hat die CDU mit den Grünen eine Ausstellung kuratiert im Alten Schloß, dem dritten Stock. Das nennt sich dann Landesmuseum Württemberg. Irgendwie  hat da auch der Südwestrundfunk seine Finger mit drin. Los geht es mit der Feststellung, daß mensch nicht weiß, wo die Schwäbinnen herkommen. Kein Wort von den Keltinnen, nein die Suebinnen und Alemanninnen stehen im Mittelpunkt. Ein Legomodell des Ulmer Doms bekräftigt, daß dessen Turm der höchste aller Kirchen auf dem Planeten ist.

Die Kirchen mit ihrem Unwesen kommen bei dem Ganzen nicht zu kurz. Der Pietismus wird beiläufig erwähnt, der Steinerismus gar nicht. Das Judentum hat wohl keine Spuren im Schwäbinnenland hinterlassen, abgesehen vom Rauch aus den KZ-Schornsteinen. Der Ulmer Albert Einstein findet so keine Erwähnung. Dem größten schwäbischen Genie Friedrich Schiller wird vorgeworfen, daß er seiner Heimat den Rücken gekehrt hat. Allerdings mußte er aus Württemberg fliehen, um sein Leben zu retten. Der Landesfürst Carl Eugen hat ihn verjagt, das war glaub ich auch ein Schwabe…

Vom Laupheimer Carl Lämmle auch keine Spur, er mußte Auswandern, um Hollywood und Universal zu gründen und 1000e von Filmen zu produzieren. Natürlich steht dann das Motorrad von Gottlieb Daimler da und die Siebdrucke von Andy Warhol zu einem Mercedes-Sportwagen. Allerdings haben es die Macherinnen zu Wege gebracht, ein Bild von Oskar Schlemmer und Willi Baumeister aufzuhängen. Alle Achtung. Und neben dem überlebensgroßen Gartenbauarchitekten Christoph Sonntag wird kurz der Literaturnobelpreisträger Hermann Hesse in einem Zug mit dem Fußballweltmeister Jürgen Klinsmann erwähnt.

Der Eintritt kostet 13 Euro, jede Besucherin läuft wie gestört vor den Objekten herum, um ihr Hörgerät einlesen zu lassen. Es scheint, daß die Landesregierung hiermit unter Einflusses mehrer Trollinger und Tannenzäpfles darlegen wollte, wie toll sie regiert. Der Schwabenstreich hält noch bis zum 23. April 2017 an.

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