Herbert Joos

Hochpolitisch ging es am vergangenen Freitag vor 600 Freundinnen der Kunst von Herbert Joos im Theaterhaus her. Die Landesregierung von Baden-Württemberg (bekanntlich wieder einmal die CDU mit den stärkeren Grünen) verlieh zum dritten und letzten Mal den Landesjazzpreis für das Lebenswerk, diesmal für den Trompeter und Maler Herbert Joos, der gegenüber vom Ebony (afrikanische Speisen) wohnt und aus Karlsruhe stammt. Letztes Jahr erwischte es Wolfgang Dauner, den Klavierspieler und davor den Bassisten Eberhard Weber.

Ins Leben gerufen hat diesen Ehrenpreis der von der neuen Regierung entmachtete Kulturstaatssekretär Jürgen Walter, dem neben Andrea Fischer, der ehemaligen Bundesgesundheitsministerin, einzigsten Grünen mit Jazzkenntnissen. Legendär waren die Konzerte in der Scala in Ludwigsburg, die Jürgen in den 90ern organisierte, bevor er als Berater in den Landtag ging um dann selber dort Abgeordneter zu werden.

Seine Nachfolgerin Petra Olschowski, zuletzt Rektorin der Kunstakademie Stuttgart, las bei der Preisverleihung vom Blatt ab. Die Festrede hielt Vincent Klink, der schwäbische Sternekoch aus dem Fernsehen. Im Gengensatz zu seiner Vorrednerin erwähnte er die Vereidigung des Milliardärs in Washington, die an diesem Freitag über die Bühne ging. Vincent erzählte von seinem vergeblichen Versuch, an der Musikhochschule Stuttgart Trompete zu studieren. Er fiel beim Vorspielen durch, wußte er doch nicht, wie er ein G spielen sollte. So wurde es nichts, seinem Freund Joos gleichzuziehen. Diese Rede war launig und witzig, sehr erfrischend und kurz.

Im ersten Teil des Konzerts spielte das Trio Patrick Bebelaar (p), Günter Lenz (b) und Herbert Joos (tp). Es gab wenig Zusammenspiel und einige solistische Beiträge. Nach fünf Titeln ging es in die Pause. Im zweiten Teil spielte eine Großformation eine Komposition von Herbert, extra für diesen Abend geschrieben. Es gab ausgiebige Zweierimprovisationen zweier Tubisten, zweier Bassisten und zweier Schlagzeuger. Wolfgang Puschnig, wichtigster lebender österreichischer Musiker, durfte nur ein kurzes Einzel spielen auf der Querflöte.

Nach der Logik müßte nächstes Jahr Professor Bernd Konrad geehrt werden, aber wie geschrieben war es das dann wohl. Dafür wird die rassistische CDU schon sorgen.

 

 

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Die Schwaben

Was ist eine Schwäbin? Um dies klarzustellen, hat die CDU mit den Grünen eine Ausstellung kuratiert im Alten Schloß, dem dritten Stock. Das nennt sich dann Landesmuseum Württemberg. Irgendwie  hat da auch der Südwestrundfunk seine Finger mit drin. Los geht es mit der Feststellung, daß mensch nicht weiß, wo die Schwäbinnen herkommen. Kein Wort von den Keltinnen, nein die Suebinnen und Alemanninnen stehen im Mittelpunkt. Ein Legomodell des Ulmer Doms bekräftigt, daß dessen Turm der höchste aller Kirchen auf dem Planeten ist.

Die Kirchen mit ihrem Unwesen kommen bei dem Ganzen nicht zu kurz. Der Pietismus wird beiläufig erwähnt, der Steinerismus gar nicht. Das Judentum hat wohl keine Spuren im Schwäbinnenland hinterlassen, abgesehen vom Rauch aus den KZ-Schornsteinen. Der Ulmer Albert Einstein findet so keine Erwähnung. Dem größten schwäbischen Genie Friedrich Schiller wird vorgeworfen, daß er seiner Heimat den Rücken gekehrt hat. Allerdings mußte er aus Württemberg fliehen, um sein Leben zu retten. Der Landesfürst Carl Eugen hat ihn verjagt, das war glaub ich auch ein Schwabe…

Vom Laupheimer Carl Lämmle auch keine Spur, er mußte Auswandern, um Hollywood und Universal zu gründen und 1000e von Filmen zu produzieren. Natürlich steht dann das Motorrad von Gottlieb Daimler da und die Siebdrucke von Andy Warhol zu einem Mercedes-Sportwagen. Allerdings haben es die Macherinnen zu Wege gebracht, ein Bild von Oskar Schlemmer und Willi Baumeister aufzuhängen. Alle Achtung. Und neben dem überlebensgroßen Gartenbauarchitekten Christoph Sonntag wird kurz der Literaturnobelpreisträger Hermann Hesse in einem Zug mit dem Fußballweltmeister Jürgen Klinsmann erwähnt.

Der Eintritt kostet 13 Euro, jede Besucherin läuft wie gestört vor den Objekten herum, um ihr Hörgerät einlesen zu lassen. Es scheint, daß die Landesregierung hiermit unter Einflusses mehrer Trollinger und Tannenzäpfles darlegen wollte, wie toll sie regiert. Der Schwabenstreich hält noch bis zum 23. April 2017 an.

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Klaus Doldinger

Der gute Mann ist mittlerweile 80 Jahre alt geworden. Grund, dies in einem umjubelten Konzert vor ausverkauftem Theaterhaus zu feiern, und zwar mit der alten Passport  im ersten Teil und dem neuen Passport im zweiten Teil nach der Pause. Der Sopran- und Tenorsaxophonist ist nicht nur ein begnadeter Solist, er hat auch für Werbefilme, das Boot, Tatort und Liebling Kreuzberg komponiert. Er bläst noch fast wie ein Junger in die Kanne hinein.

Passport wurde von einem 24jährigen gegründet, der seine klassische Ausbildung am Konservatorium in Düsseldorf genossen hatte. Mit dabei damals Udo Lindenberg am Schlagzeug. Diese Formation hat dann groß Karriere gemacht. Ein toller Ton, der seinesgleichen sucht. Ursprünglich war Passport ein Quartett mit Saxophon, Klavier, Baß und Schlagzeug. Heute sind noch zwei Perkussionisten und ein Gitarrist mit dabei.

Das Konzert hat Spaß gemacht, die Leute im Publikum waren hoch zufrieden. Es war ja nicht das erste Mal, daß Doldinger im Theaterhaus auftrat. Einfach schöner, zupackender Jazz-Rock mit Anklängen an den Pop-Jazz. Als Zugabe boten die Musiker natürlich die Tatort-Titelmusik dar, wie bei allen Stücken mit langen Einzeldarbietungen.

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John McLaughlin

Zwei Tage nach dem größten lebenden Akkordeonisten kam der Größte an der Gitarre in das Theaterhaus: John McLaughlin. Mittlerweile 73 Jahre alt, moderierte der englische Altmeister sein aktuelles Quartett in Deutsch. Er trat zum ersten Mal am Pragsattel auf, im alten Theaterhaus und beim Jazzgipfel war er auch. Der gleichermaßen an der akustischen wie elektrischen Gitarre versierte Virtuose wurde bekannterweise von Miles Davis entdeckt, der Schüler des bekanntesten indischen Sitarspielers Ravi Shankar schrieb mit den Formationen Mahavishnu Orchestra und Shakti Musikgeschichte, alles andere was er machte hatte Hand und Fuß.

Mit zu Gange in seiner vierten Dimension: der Engländer und Tastenderwisch und Schlagzeuger Gary Husband, der kamerunische Elektrobassist Etienne M’Bappe ließ die Saiten schnalzen und hatte Handschuhe an und der indische Oberschlagzeuger Ranjit Barot. Das rockte ganz schön und war trotzdem komplex. Die vier Ausnahmetalente spielten zwei Stunden am Stück durch. Das Ganze war äußerst nachhaltig und das Stuttgarter Publikum erlebte einen Sommerhöhepunkt im Städtle.

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Richard Galliano

Dieser unglaubliche Franzose hat zusammen mit dem Stuttgarter Kammerorchester im Theaterhaus musiziert: Richard Galliano ist der bedeutendste lebende Akkordeonist auf unserem Planeten. Natürlich, es gibt beipielsweise noch Jean-Louis Matinier oder Luciano Biondini, aber Galliano ist einfach erfahrener.

Es wurden Stücke von Bela Bartok, Georg Breinschmid, Richard Galliano, Joaquin Turina und Astor Piazzolla dargeboten. Erstaunlicherweise gab es keine Dirigentin, nein, das kleine Orchester wurde unter der ersten Geige von Meesun Hong Coleman geleitet. Die Stücke waren sehr gehaltvoll, niemals oberflächlich. Auch schön jazzig und weltmusikalisch, das ging über die traditionelle Klassik hinaus.

Richard Galliano spielte im ersten Teil das diatonische Akkordeon (Knöpfe statt Tasten). In der zweiten Hälfte dann das Bandoneon, von einem Deutschen entwickelt und durch den argentinischen Tango erfolgreich geworden. Das Publikum war kein klassisches, immer wieder wurde in die Kompositionen hineingeklatscht. Galliano beendete sein Gastspiel mit einer fulminant improvisierten Zugabe auf seinem Akkordeon ohne Orchester. Ach ja, er ist auch ein Vertreter der Musette nouvelle, so wie Piazzolla mit seinem Tango nuevo.

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